Herausforderungen für die pflegerische Versorgung

Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform

Herausforderungen für die pflegerische Versorgung

Der Bedarf an Pflegeleistungen wird künftig stark zunehmen. Dafür wird gut ausgebildetes Fachpersonal benötigt, das vielerorts schon heute fehlt. Voraussetzung für ausreichendes Personal sind gute Arbeitsbedingungen und attraktive Löhne. Das führt zu zusätzlichen Kosten für Bedürftige und Angehörige. 

 

Fachkräftemangel in der Pflege

 

Der demografische Wandel stellt nicht nur die Finanzierung der Pflegeversicherung vor Probleme. Er führt auch zu einer massiven Verschärfung des Mangels an Pflegepersonal. Schon jetzt beträgt die Personallücke bei Pflegekräften – d.h. Stellen, die trotz Nachfrage nicht besetzt werden können – bei rund 57.000. Im Jahr 2011 lag die Zahl der offenen Stellen noch bei 40.000. Das entspricht einer Zunahme von fast 43 Prozent. Zu dem Ergebnis kommt das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (PDF-Dokument), das die Marktsituation im Pflegebereich im Oktober 2021 erfasst hat.

Besonders stark entwickelt sich auch der Engpass bei Fachkräften, Spezialisten und Experten. Hier wuchs die Lücke seit 2011 von 19.200 auf bis zuletzt knapp 35.000 Stellen. Die größte Fachkräftelücke findet sich im Jahresdurchschnitt 2020/2021 mit über 17.000 Personen bei den Fachkräften in der Altenpflege, gefolgt von den Fachkräften der Gesundheits- und Krankenpflege mit einer Lücke von über 14.000 Personen.

In den kommenden Jahren wird allein schon aufgrund der steigenden Zahl an Pflegebedürftigen der Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften weiter steigen. Auf Basis der Pflegestatistik sowie der Pflegevorausberechnung des Statistischen Bundesamtes hat die „Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform" mögliche Bedarfs-Szenarien für Pflegeheime und die ambulante Versorgung bis zum Jahr 2040 berechnet: Alleine bis 2030 werden in Pflegeheimen und in der ambulanten Versorgung bundesweit voraussichtlich 130.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt. Bis 2040 wären es bis zu 250.000 Fachkräfte. Das entspricht rund 99.000 (2030) und 190.000 (2040) Vollzeitstellen. Mehr dazu

 
 
 

Ländlichen Regionen droht Unterversorgung

Der Personalmangel in der Pflege wird die strukturschwachen Regionen besonders hart treffen. Das prognostiziert das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in ihrem Lagebericht „Die demografische Lage der Nation – wie zukunftsfähig Deutschlands Regionen sind“. Ältere Menschen mit einem wachsenden Pflegerisiko bleiben in den Regionen, während es junge und gesunde Menschen in die urbanen Ballungsräume zieht. Das habe massive Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung auf dem Land, so die These. Experten glauben allerdings nicht, dass sich die dafür nötigen Fachkräfte hierzulande anwerben ließen – auch weil das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland insgesamt abnehmen werde. Mehr dazu (PDF-Dokument)

 

Steigende Löhne bedeuten steigende Pflegekosten

Um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern und den Pflegeberuf attraktiver zu machen, empfehlen Experten bessere Arbeitsbedingungen und ein höheres Lohnniveau. Doch was hätte das für Auswirkungen auf die Kosten der Pflege?

Zur Quantifizierung der finanziellen Auswirkungen einer tariflichen Mindestlohnregelung in der Altenpflege hatte das Bundesgesundheitsministerium bereits im März 2019 eine Untersuchung durch das Berliner IGES-Institut vornehmen lassen mit dem Ergebnis: In jedem Szenario der Umsetzung eines einheitlichen Tariflohns kommen milliardenschwere Mehrkosten auf die Beitragszahler zu.

Je nachdem, ob sich ein einheitlicher Tariflohn in der Pflege am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes orientieren soll oder „nur“ einem gestaffelten Mindestlohn entspräche, ergeben sich Mehrkosten von 1,6 bis 5,2 Milliarden Euro pro Jahr. Für den Beitragssatz in der Sozialen Pflegeversicherung bedeuten Mehrausgaben von 5 Milliarden Euro etwa 0,3 Beitragssatzpunkte.

Auch wenn statt auf Bundesebene in jedem Bundesland ein eigener, regionaler Mindesttarif eingeführt wird, betragen die Mehrkosten insgesamt zwischen 1,4 und 4 Milliarden Euro. Mehr dazu (PDF-Dokument)

 

Ein Einheitstarif in der Pflege als Lösung?

Seit dem 1. September 2022 werden Pflegeeinrichtungen nur noch zur Versorgung zugelassen, wenn zur Entlohnung der Beschäftigten im Pflege- und Betreuungsbereich Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nachweislich angewendet werden. Wurden keine Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen abgeschlossen, gelten die diesbezüglichen Zulassungsvoraussetzungen auch dann als erfüllt, wenn die Pflegeeinrichtungen ihren Beschäftigten im Pflege- und Betreuungsbereich mindestens eine Entlohnung in der Höhe eines regional anwendbaren Tarifvertrags oder einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung zahlen. Näheres regelt § 72 Abs. 3b SGB XI neu.

Dass die tarifliche Entlohnung als Voraussetzung für die Leistungserbringung in der stationären Altenpflege zementiert wurde, ist nach juristischer Bewertung klar verfassungswidrig: Es handelt sich um einen Verstoß gegen die Trägervielfalt, das Wirtschaftlichkeitsgebot und die institutionelle Selbstverwaltung. Dieser Tarifzwang verkennt die tatsächlichen Lohnverbesserungen, die auch ohne den politischen Eingriff erreicht worden sind. Er gefährdet zudem regionale Pflegeinfrastrukturen, indem in die unternehmerische Freiheit der Lohnfindung eingegriffen wird. Die Neuregelung wird in jedem Fall zu einer deutlichen Erhöhung der Eigenanteile führen und Pflegebedürftige vielerorts finanziell überfordern. Mehr dazu (PDF-Dokument)

Die Einführung eines Tarifzwangs geht zudem an den vielfältigen Ursachen des Pflegekräftemangels vorbei und wird das Problem nicht lösen. Denn die Entlohnung von Pflegekräften liegt in Deutschland bereits heute auf einem relativ hohen Niveau: Für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die in Deutschland in der Altenpflegebranche arbeiten, gelten seit 2010 spezielle Pflegearbeitsbedingungen und entsprechende Lohnuntergrenzen, die deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Bruttomonatsverdienste von Fachkräften in Altenheimen seit 2010 um 32,8 Prozent und von Fachkräften in Pflegeheimen sogar um 38,6 Prozent (Stand Mai 2021). Pflegekräfte in Pflegeheimen verdienen mit durchschnittlich 3.363 Euro pro Monat brutto erstmals mehr, als Beschäftigte in der Gesamtwirtschaft (Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen). Mehr dazu

Mit der seit dem 1. September 2022 geltende Verpflichtung für Pflegeheime und ambulante Pflegedienste, ihre Mitarbeitenden in der Pflege und Betreuung nach Tarif zu bezahlen, kommen hohe Kosten auf die Pflegekassen zu. Die sind verpflichtet, die steigenden Lohnaufwendungen bei den Verhandlungen der Vergütung der Pflegeleistungen zu berücksichtigen und damit die Refinanzierung der Tarifbindung oder -orientierung zu gewährleisten. Laut Bundesgesundheitsministerium belaufen sich die Gehaltssteigerungen je nach Bundesland und Einrichtung seit September 2022 auf zwischen 10 und 30 Prozent. Damit haben in der Altenpflege die Löhne für Fachkräfte seit 2020 erstmals das Durchschnittsniveau aller Branchen überschritten. Mehr dazu

 
 
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