Bewertung der Eckpunkte des Zukunftspaktes Pflege
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat am 11. Dezember 2025 ihren Abschlussbericht vorgelegt, der die Weichen für die Pflegereform im nächsten Jahr stellen sollte. Das vorgelegte Papier enthält eine Reihe von Optionen für mögliche Reformszenarien. Es gibt aber keine Antwort, wie die pflegerische Versorgung bei einer steigenden Zahl von Pflegebedürftigen gesichert und wie sie generationengerecht finanziert werden kann. Die abschließend aufgeführte Roadmap macht vielmehr deutlich, dass Bund und Länder weiteren Beratungsbedarf haben und Entscheidungen erst in den nächsten Monaten getroffen werden sollen.
Im Finanzierungskapitel liegt der Fokus im Wesentlichen auf der Begrenzung der Eigenanteile, was dauerhaft steigende Mehrbelastungen für die deutsche Wirtschaft und die junge Generation nach sich ziehen würde. Für die anstehende Reform wäre dagegen eine Priorisierung von Beitragssatzstabilität und Generationengerechtigkeit dringend notwendig. Im Einzelnen:
- Als zwei „Grundmodelle“, um einen Anstieg der Eigenanteile zu begrenzen, werden die Dynamisierung der SGB XI-Leistungen und der „Sockel-Spitze-Tausch“ ins Spiel gebracht. Allein diese beiden Vorhaben würden die Lohnzusatzkosten in den kommenden zwei Jahrzehnten auf gut 47 Prozent anwachsen lassen.
- Auch der Ausbau des Pflegevorsorgefonds kann keinen Beitrag zur Generationengerechtigkeit leisten, denn eine Finanzierung des Kapitalstocks mittels weiterer Beitragssatzanhebungen ist angesichts des aktuellen Rekord-Niveaus der Sozialbeiträge ebenso unangemessen wie eine Finanzierung über Steuermittel, die zu zusätzlichen Schulden zulasten der Jüngeren führt.
- Der größte Hebel auf der Ausgabenseite wird von der Kommission nicht betrachtet: So sind bspw. die Zuschläge zu den Eigenanteilen in stationären Pflegeeinrichtungen eine der teuersten Sozialreformen der vergangenen Jahre. Sie kosten die SPV jetzt schon 8 Mrd. € p. a./0,4 Beitragssatzpunkte. Immerhin findet sich unter den Worten „Schwellenwerte in der Begutachtungssystematik“ ein anderer Hebel für eine Ausgabenbremse: nämlich die Begrenzung der Dynamik der Zahl der Pflegebedürftigen.
Die Vorschläge für Maßnahmen im Bereich der pflegerischen Versorgung enthalten einige wichtige Leitplanken, lassen aber viele Fragen offen:
- Positiv ist das Ziel zu bewerten, Prävention vor und in der Pflege deutlich zu stärken, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder weiter hinauszuzögern. In der Umsetzung bleibt das Papier hingegen vage. Bedauerlich, dass es zu den Leistungen im Pflegegrad 1 nur einen Prüfauftrag gibt.
- Die Absicht, den Pflegeunternehmen mehr Freiheit zu geben, Vorgaben abzubauen und Verfahren zu verschlanken, ist grundsätzlich zu begrüßen.
- Versteckte Erhöhungen der Leistungsausgaben ohne Gegenfinanzierung drohen bei der Bündelung verschiedener Leistungsarten in einem Sachleistungsbudget und einem Entlastungsbudget, zumal das Entlastungsbudget gegenüber dem heutigen Pflegegeld eine erhöhte Pauschalleistung vorsieht.
- Ebenso bedenklich ist die vorgesehene Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, mit der das alte System der „Minuten-Pflege“ wieder eingeführt werden würde. Faktisch würden die pflegebedarfsorientierten Leistungsbeträge die Autonomie der Pflegebedürftigen einschränken und die Kompetenzen der Pflegekräfte untergraben.
Ein Paradigmenwechsel in der Pflegefinanzierung muss die Leitlinien „Generationengerechtigkeit“ und „Eigenverantwortung“ priorisieren, d. h.:
- Beenden der dynamischen Ausgabenentwicklung: Die Zahlbeträge des SGB XI dürfen nur mit Rücksicht auf das Verhältnis von Pflegebedürftigen und Beitragszahlern angepasst werden. Wie in der gesetzlichen Rentenversicherung sollte auch in der Pflegeversicherung ein „Nachhaltigkeitsfaktor“ eingeführt werden, um die demografischen Lasten fair auf die Generationen aufzuteilen.
- § 43c SGB XI sollte in seiner Dynamik ausgebremst werden – entweder durch die Begrenzung auf höhere Pflegegrade, durch eine vollständige Abschaffung oder wenigstens ein Einfrieren.
- Das komplexe Leistungsrecht ist zu flexibilisieren und für den Pflegebedürftigen durchschaubar zu gestalten.
- Eigenverantwortung und freiwillige Vorsorge müssen Vorrang vor weiteren Pflichtbeiträgen haben. Zusätzliche Leistungen bedürfen mit Blick auf Demografie und Generationengerechtigkeit der Kapitaldeckung.