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Bewertung zum Start der Bund-Länder-Kommission für eine Pflegereform

Keine Versorgungssicherheit in der Pflege ohne dauerhaft tragfähige Finanzierung

Auch kurzfristige Maßnahmen müssen langfristig tragfähig sein und dürfen nicht zu einer wachsenden Verschuldung zu Lasten der jungen Generation führen.

Das strukturelle Defizit der Sozialen Pflegeversicherung erfordert zügige Strukturreformen. Daher ist es gut, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kommission für eine Pflegereform unter Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen die Arbeit mit dem Ziel aufnimmt, noch in diesem Jahr zu Entscheidungen zu kommen. Denn langfristig wie kurzfristig sind bei der Finanzierung und Sicherung der Pflege alle Fragen offen. Allerdings sollte die Kommission nicht nur mit Vertretern der Politik und Ministerien besetzt werden, sondern auch einen praktikablen Weg finden, die in der Pflege beteiligten Akteure – Sozialpartner, ambulante und stationäre Pflege und Kostenträger – einzubinden.

Die ‚Initiative für eine generationengerechte Pflegeʻ warnt davor, nur auf den kurzfristigen Ausgleich des strukturellen Defizits zu setzen, der nicht langfristig tragfähig ist: sei es eine erneute Anhebung des Beitragssatzes, eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, eine pauschale Subvention der Pflegeversicherung aus öffentlichen Mitteln ohne eindeutigen Bezug zu versicherungsfremden Leistungen oder gar einen schuldenfinanzierten Ausgleich des Defizites. So warnt der Sachverständigenrat für die Wirtschaft eindringlich vor einer missbräuchlichen Nutzung der Ausnahmen von der Schuldenbremse zugunsten einer faktischen Kreditfinanzierung konsumtiver Ausgaben. Dies würde die Schuldenlast und Zinszahlungen des Bundes dauerhaft erhöhen – und damit die Verschuldung zulasten der Jüngeren. Steuerzuschüsse an die beitragsfinanzierte Gesetzliche Pflegeversicherung lassen sich ohnehin nur im definitorischen Rahmen versicherungsfremder Leistungen begründen. Sie müssen dann aber auch aus den vorhandenen Steuereinnahmen und ggf. strukturellen Einsparungen im Kernhaushalt finanziert werden. Und sie müssen zugleich so zielgenau wie möglich erfolgen: etwa durch direkte Zuweisung an die Rentenversicherung, um dort die Entgeltpunkte für pflegende Angehörige zu finanzieren.

Um das strukturelle Defizit kurzfristig auszugleichen, müssen angesichts der ausgereizten Einnahmeseite daher auch kurzfristig wirksame Korrekturen der Leistungsstrukturen auf den Prüfstand. Dabei ist zu fragen, wo die Solidarität der Beitragszahlergemeinschaft notwendig ist und wo mit Blick auf das finanzielle Leistungsvermögen mehr Eigenverantwortung zugemutet werden kann. Dabei sind aktuelle Studien zu den sozialpolitischen Streuverlusten vom Pflegegrad 1 bis zu den Zuschüssen zu den stationären Eigenanteilen nach § 43 c SGB XI zu berücksichtigen.

Ebenso auf den Prüfstand zu stellen sind die durch die hochregulierten Leistungsstrukturen und die Intransparenz der Leistungsansprüche kostentreibenden, oft mehrfach vorhandenen Prüfungs- und Beratungsstrukturen. Ohne Flexibilisierung und Deregulierung wird das System ineffizient bleiben.

Von den zu priorisierenden kurzfristigen Maßnahmen sind Reformen für eine langfristig tragfähige Leistungsstruktur und Finanzierung zu unterscheiden. Dabei empfehlen wir die folgenden Leitplanken:

Eine langfristig finanziell tragfähige Pflegefinanzreform muss…

  • die Spirale steigender Beitragssätze – im Interesse der Wirtschaft und nachfolgender Generationen – beenden und sich von der Illusion verabschieden, weitere Leitungsausweitungen von einer alternden Gesellschaft und abnehmenden Beschäftigtenzahlen im Umlageverfahren bezahlen zu lassen
  • stärker auf Pflegevorsorge setzen und diese fördern
  • die Kapitaldeckung des Pflegevorsorgefonds stärken und zugriffssicher machen
  • die Beitragszahler der Pflege von versicherungsfremden Aufgaben entlasten
  • das komplexe Leistungsrecht flexibilisieren, vereinfachen und für die Pflegebedürftigen durchschaubar und beherrschbar machen
  • weitere Eingriffe in die Lohnfindung vermeiden und stattdessen Anreize für Investitionen in den Ausbau der pflegerischen Infrastruktur setzen
  • die sektorale Trennung von ambulanten, teilstationären und stationären Pflegeangebote aufheben und damit für eine passgenaue und effiziente Versorgung sichern
  • die Ressource ‚Präventionʻ vor und in der Pflege frühzeitig verankern, um den steigenden Pflegebedarf im Zeitverlauf und im Gesamtumfang zu dämpfen.