Grenzen der Umlagefinanzierung

Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform

Grenzen der Umlagefinanzierung

Steigende Beiträge - demnächst auch wachsende Steuerzuschüsse? Demografiebedingt kommt die Soziale Pflegeversicherung zunehmend an ihre Grenze. Die Lasten haben jüngere Generationen zu tragen. Sie bekommen weniger Leistung, zahlen aber lebenslang höhere Sozialabgaben als ältere Jahrgänge.

 

Der stille, steile Anstieg: Beitragssatzentwicklung in der Sozialen Pflegeversicherung

Ausschlaggebend für den Beitragssatz im Umlageverfahren ist die Differenz zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung. Um den Ausgabenanstieg in der Pflegeversicherung finanzieren zu können, stieg der SPV-Beitragssatz von 1,0 Prozent im Jahr 1995 auf mittlerweile 3,05 Prozent (3,40 Prozent für Kinderlose). Seit 2015 musste der SPV-Beitragssatz regelmäßig angehoben werden. Die Gesamtsozialabgabenquote überschreitet seit 2022 - erstmals wieder seit 20212 - die 40-Prozent-Grenze.

 

Szenarien zur zukünftigen Finanzentwicklung der Sozialen Pflegeversicherung

Neue Berechnungen zeigen, dass es allein durch demografische Verschiebungen zu einem Anstieg des Beitragssatzes auf 4,2 Prozent im Jahr 2042 kommen kann. Unterstellt man darüber hinaus einen Kostendruck im System (so wie es in der Vergangenheit zu beobachten war), resultieren Beitragssätze, die für das Jahr 2042 zwischen 6,3 Prozent und 14,7 Prozent liegen.

 
 
 

Von steigenden Beitragssätzen, allein aufgrund der demografischen Alterung und der Zunahme an professioneller pflegerischer Versorgung, geht auch das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos aus. Um den Ausgabenanstieg in der Sozialen Pflegeversicherung zu finanzieren, müsse der Beitragssatz bis zum Jahr 2045 auf 4,25 Prozent angehoben werden.

Prognos erwartet im Jahr 2025 einen Anstieg auf 3,25 Prozent, im Jahr 2030 bereits 3,55 Prozent und damit 0,5 Prozentpunkte mehr als 2019. Gegen Ende des Betrachtungshorizonts werde die Dynamik nochmals spürbar zunehmen, da in diesem Zeitraum die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre die Altersgruppen mit erhöhter Pflegewahrscheinlichkeit erreichen.

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Die versteckte Verschuldung der Sozialen Pflegeversicherung

Eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) zeigt, dass in der Sozialen Pflegeversicherung hohe implizite Schulden in Höhe von 435 Mrd. Euro aufgelaufen sind. Die implizite Schuld besteht aus den zukünftigen Leistungsversprechen, die durch heutige Beitragszahlungen nicht gedeckt sind. Sie sind die Folgen der Einführungsgewinne, die ältere Generationen im Umlageverfahren bei der Einführung der SPV durch den sofortigen Leistungsbezug erhalten haben und entstehen zudem bei jeder Leistungsausweitung. Die implizite Schuld wird methodisch über die Modellierung eines fiktiven Kapitaldeckungssystems für das Versichertenkollektiv der SPV ermittelt.
Die zu erwartenden steigenden Beitragssätze und die bereits jetzt vorhandene hohe implizite Verschuldung stellen eine zunehmende Belastung der jüngeren Generation dar. Der jüngeren Generation droht eine noch höhere Steuer- und Sozialabgabenbelastung als wir sie bereits jetzt in Deutschland vorliegen haben.

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Je jünger der Jahrgang desto größer die generationenspezifische Belastung

Weitere Ergebnisse liefert eine Studie von Prof. Martin Werding im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung: Sie zeigt ebenfalls wie die Alterung der Gesellschaft in den kommenden Jahren die Pflegeversicherung vor immer größere Probleme stellen wird – insbesondere in Bezug auf einzunehmendes Ungleichgewicht zwischen den generationenspezifischen finanziellen Belastungen. Infolge der demografischen Entwicklung wird die Summe der Beitragssätze von gesetzlicher Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung schon bis zum Jahr 2045 auf Werte zwischen 50,7 und 52,2 Prozent steigen. Ein 2010 geborener Mensch werde in seinem Leben durchschnittlich ein Drittel mehr Sozialbeiträge als ein 1970 Geborener zahlen. Fazit: „Wenn wir aus so stark steigenden Sozialbeiträgen keine Konsequenzen ziehen, droht ein massiver Verteilungskonflikt zwischen Jung und Alt.“

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Belastung jüngere Generationen
 
 

BDA-Kommission: Demografischer Wandel treibt Sozialabgaben in die Höhe

In den nächsten 20 Jahren wird der Beitragssatz in den gesetzlichen Sozialversicherungen von 40 auf rund 50 Prozent (49,6 Prozent) steigen. Das zeigen Berechnungen der BDA-Kommission „Zukunft der Sozialversicherungen“ unter der Leitung von Professor Dr. Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum. Im Koalitionsvertrag hatte sich die vergangene Große Koalition auf eine Obergrenze für die Sozialabgabenquote von 40 Prozent verständigt. Als zum Jahreswechsel 2019 der Beitragssatz in der Sozialen Pflegeversicherung von 2,55 auf 3,05 Prozentpunkte erhöht wurde und diese Marke „wackelte“, hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sogar die Aufnahme der 40-Prozent-Grenze ins Grundgesetz vorgeschlagen. Die so wichtige 40-Prozent-Marke wurde dagegen im Koalitionvertrag von SPD, Grüne und FDP gestrichen. Die Ergebnisse der Wissenschaftler machen deutlich, wie schwerwiegend die Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind, sollte diese Grenze weiter überschritten werden.


Beschäftigungsrisiken und Legitimationsverlust der Sozialversicherungen

Die Obergrenze von 40 Prozent ist keine beliebige Grenze: Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass der Gesamtsozialversicherungsbeitrag diesen Wert in der Vergangenheit bereits einige Male verletzt hat. In den Jahren 1997/98 sowie 2003 und 2005, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt waren, lagen die Spitzenwerte bei über 42 Prozent.  Das verdeutlicht den Teufelskreis aus hoher Beitragsbelastung und ungünstiger Wirtschaftsentwicklung.

In ihrem Bericht warnt die BDA-Kommission deshalb vor den negativen Auswirkungen steigender Beitragssätze auf die wirtschaftliche Entwicklung und den damit verbunden Beschäftigungsrisiken. Schon heute zählt Deutschland im internationalen Vergleich der lohnbezogenen Abgaben zur Spitzengruppe. Die Gesamtbelastung der Löhne von Durchschnittsverdienern mit Sozialbeiträgen und Lohnsteuern beträgt 49,4 Prozent. Nur in Belgien zahlen die Bürgerinnen und Bürger mehr. Zudem bestehe die Gefahr einer fortschreitenden Entsolidarisierung und eines Legitimationsverlusts der Sozialversicherung. Die steigende finanzielle Belastung für jüngere und zukünftige Versicherte widerspreche der Idee eines gerechten Interessenausgleichs im Rahmen des „Generationenvertrags“, der dem umlagefinanzierten Sozialversicherungssystem konzeptionell zugrunde liegt.

 

Pflege-Bürgerversicherung? Keine Lösung für die demografischen Herausforderungen in der Pflege

In Reaktion auf die Finanzprobleme der umlagefinanzierten Sozialen Pflegeversicherung wird neben einer wachsenden Steuerfinanzierung auch eine sogenannte „Bürgerversicherung“ gefordert – in zwei Varianten: als Zusammenführung von Sozialer Pflegeversicherung (SPV) und Privater Pflegepflichtversicherung (PPV) unter dem Dach der SPV, oder als Finanzausgleich zwischen SPV und PPV. Beides ist nicht zielführend.

Die Pflege-Bürgerversicherung wäre eine Ausweitung der Umlagefinanzierung auf 100 Prozent der Pflegeversicherten und würde mit der PPV ausgerechnet das einzige System abschaffen, das heute für den demografischen Wandel in der Pflege mit Rückstellungen vorsorgt. Die Pflege-Finanzprobleme der Umlage in einer alternden Gesellschaft würden sich dadurch verschärfen.

Ebenso dysfunktional für die SPV-Finanzen wäre ein Finanzausgleich mit der PPV. Dieser müsste die Risikostrukturen zwischen den Kollektiven ausgleichen. Die Risikostruktur der PPV-Versicherten wäre für die SPV aber nicht vorteilhaft: Das Pflegerisiko steigt mit dem Alter. Und die PPV-Versicherten sind im Durchschnitt nicht nur heute schon deutlich älter. Sie altern auch schneller als das Kollektiv der SPV. Ein Finanzausgleich zwischen den Systemen würde daher auf dem Höhepunkt des demografischen Wandels ausgerechnet die SPV zusätzlich belasten, wie Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) zeigen.

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